Die Entwicklungsgeschichte des Yoga

Schon ca. 1500 v.Chr. verrät die Sprache der Veden (erste indische Textsammlungen des Yoga) die Sehnsucht nach kollektivem Heil auf der Erde und einem paradiesischen Leben nach dem Tod.

Die Entwicklung eines damals sehr aufwendigen Systems führte zu einer Gegenbewegung und es entwickelte sich die Meditation. Der Yogi meditierte darüber, was das eigentliche Selbst des Menschen ausmacht. Das Wissen darüber wurde etwa ab 800 v.Chr. in den Upanishaden niedergeschrieben. Es entwickelte sich die Lehre darüber, dass Gott und die Schöpfung, und somit auch der Mensch identisch sind. Nun ging es darum, in sich den göttlichen Wesenskern, das was unsterblich, ewig und unbeeinflussbar ist zu entdecken. Zu dieser Zeit entstand auch die Vorstellung von der Wiedergeburt und einem persönlichen Schicksal und Yoga wird in Indien das erste mal populär. Das Wissen um die Techniken des Yoga, um diesen Weg der Selbsterkenntnis, stand aber in der Praxis wenigen offen, da die Texte nicht von jedem Menschen gelesen werden konnten.
Ein Yogasystem von überragender Bedeutung, sind die Yoga Sutras des Weisen Patanjali (zwischen 200 v. und 200 n.Chr.). Mit psychologischem Blick diagnostizierte er, was den Geist des Menschen unklar macht, was sein inneres Wachstum und seine Selbsterkenntnis behindert, und zeigt einen für jeden Menschen nachvollziehbaren Übungsweg, den Achtgliedrigen Pfad auf, um diesen Schwierigkeiten zu begegnen. Diesen Weg zu befolgen hilft den Geist zu klären, die Ursachen des Leids zu erkennen und künftiges Leid zu vermeiden. Es entstand eine methodische Darlegung über die Natur des menschlichen Geistes, eine Analyse der normal menschlichen Situation die von Unklarheit und Leid gekennzeichnet ist.
Die Erklärung des Übungsweges, der achtgliedrige Pfad:  YAMA, die 5 Regeln die den sozialen und äußeren Interaktionen dienen, und diese sind: Gewaltlosigkeit, Wahrhaftigkeit, Nichtstehlen, das richtige Maß im Handeln, Nichthorten. NYAMA, die 5 Regeln die ein Gefühl für Disziplin im inneren Leben stärken, und diese sind: Reinheit von Körper und Geist, Zufriedenheit, die Disziplin und Energie die wir auf unserem Übungsweg aufbringen, Selbststudium, Hinwendung zu Gott. ASANA, die rechte Körperhaltung - "die Haltung ist fest und leicht zugleich". PRANAYAMA, die Regelung des Atems (Atemübungen). PRATYAHARA, DHARANA, DHYANA, SAMADHI - die Stufen des inneren Weges, ein mentaler Prozess der Beobachtung, Analyse, Reflektion, Kontemplation, Meditation und Erfüllung. Die Hindernisse auf diesem sind: falsches Verstehen/Wissen, eine falsche Einschätzung der eigenen Person/des Egos, das drängende Verlangen etwas haben zu wollen, Abneigung/Abwehr und Vermeidung, Angst.
Bis hier hin spielte der Körper im Yoga kaum eine Rolle. Man versuchte eher ihn zu ignorieren um nicht von der Innenschau abgelenkt zu werden.
Dann etwa ab 500 n.Chr. tritt im indischen Geistesleben eine neue Strömung in den Vordergrund, Tantrismus genannt. Im tantrischen Weltbild ist das Universum und die Schöpfung nichts anderes als Energie in unterschiedlich dichter Schwingung, und der Körper wird nun, so wie das ganze Universum, als heilig angesehen. Es gibt in diesem System nichts, was niedriger oder höher ist als etwas anderes. Alles gilt als gleich göttlich, gleich wichtig und wertvoll für die Gesamtheit der Schöpfung. Mikrokosmos ist gleich Makrokosmos - alles ist miteinander in Beziehung, von einander abhängig und miteinander verwoben - Körper, Geist und Seele beziehen sich ständig aufeinander und beeinflussen sich gegenseitig. Durch die Vertiefungszustände wie in der Meditation wo man in diesem System die Aufmerksamkeit auf die sogenannten Chakren (Energiezentren im menschlichen Körper, welche uns in Kontakt mit unserem Unbewussten bringen) richtet, werden dem Übenden seine Ängste, Glaubenssätze, die er über sich und die Welt angenommen hat, und die Schutzmechanismen und Verteidigungsstrategien, die sich die Psyche im Laufe des Lebens aufgebaut hat, bewusst.

So entstand etwa ab 1000 n.Chr. ein ganzheitlicher Yogaübungsweg, der Hatha-Yoga. Der Hatha-Yoga ist sicher der bekannteste Yogaweg außerhalb Indiens. Dieses System hat im Laufe seines Bestehens diverse Entwicklungen durchlaufen, aber vor allem zwei schon oben angeführte System prägen diesen Yogaweg: der achtgliedrige Pfad und das Weltbild des Tantrismus. Das Konzept des achtgliedrigen Pfades von Patanjali spielt eine wesentliche Rolle, aber der Körper wird nun als Geschenk angesehen. Nur durch ihn sind wir überhaupt in der Lage Erfahrungen zu machen. Wir brauchen unseren Körper als Behausung für die Seele und den Geist.
Wie man in dieser sehr kurzen Zusammenfassung wohl erkennen kann, war Yoga von Beginn an ein spiritueller auch ein ganzheitlicher Heilsweg.

Beim Yoga geht es IMMER darum "in seine Mitte zu kommen", nach Innen zu gehen und von Innen nach Außen.  Es geht nie darum eine äußere Form nachzuahmen. Es geht immer um Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion. Es geht nie darum so zu sein, wie man denkt sein zu müssen, weil man vergessen hat, wer man tief in sich drinnen ist. Es geht im Yoga aber sehr wohl darum, sich zu bemühen ein "guter Mensch" zu sein, ja vielleicht wieder zu werden. Jesus Christus und Buddha haben es uns vorgemacht. Um das zu verstehen muss man weder Christ noch Buddhist sein. Man muss nur sein Ego beiseite lassen und tiefer blicken. Dafür braucht es oft Mut und auch Kraft. Obwohl man am Ende ja Kraft davon bekommt. Für die (sanfte) Kraft und den klaren Blick auf "dem Weg der Innenschau", vor allem dafür ist Yoga da. Dafür muss ich keine Götter oder Gurus anbeten. Das vernebelt oft den Blick und kann in die nächste Abhängigkeit führen. Der ursprüngliche Weg des Yoga ist sehr komplex, aus meiner Sicht heute kaum nachvollziehbar. Wo in Indien wahre Gurus und Heiler sind oder waren, braucht es in einem anderen Kulturkreis auch eine etwas andere Methodik um Yoga richtig zu verstehen. Jacqueline Soede

Yoga ist der Weg des Selbst durch sich selbst.